Foto: (c) mairisch Verlag
Erleuchtete Maus
Es ist nicht leicht, den soghaften Roman »Das Buch der Wunder« von Stefan Beuse zu loben, ohne wie eine verspulte Esoterikjüngerin zu klingen. Darum geht es: Ein ungleiches Geschwisterpaar entdeckt, wie es seine Wahrnehmungsfrequenz ändern kann, um die Wirklichkeit zu verwandeln. Dabei hat Tom sich eigentlich von klein auf der Naturwissenwissenschaft verschrieben. Seine Schwester Penny dagegen glaubt felsenfest an eine Welt hinter der Welt und daran, dass man sich seinen Dämonen stellen müsse, um sein wahres Selbst zu erkennen.
Hinter der Kinderzimmergardine versteckt, lauscht der Leser den magischen Gesprächen der Kinder und wird Zeuge, wie die Schwester eine tote Maus in einem wundersamen »Haus aus Licht« beerdigt. Für den Werbespot eines Puddingherstellers wird später der in der Werbung beschäftigte Tom ein ähnliches Haus nachbauen.
Der Roman, an dem der Autor acht Jahre gearbeitet hat, ruft starke Bilder hervor und schreit geradezu nach einer Verfilmung. Die beiden Romane »Kometen« und »Meeres Stille« des Wahlhamburgers sind bereits auf die Leinwand gebannt worden. Penny stirbt früh, doch nicht ohne Tom eine besondere Anleitung zu hinterlassen: das titelgebende »Buch der Wunder«. Darin steht, wie er sie wiederfinden kann.
Doch auf halbem Weg bekommt Tom kalte Füße und zieht sich fortan lieber »ein unauffälliges Leben über die Ohren wie ein Kind seine Decke«. Eine sympathische Kommissarin vom Schlage einer Sibel Kekilli ist frühzeitig in den ungewöhnlichen Fall verstrickt, ein seltsames Mädchen weiß mehr über die beiden als eigentlich möglich wäre und Tom wird zusehends von einem bedrohlichen Wesen verfolgt.
In einer grandios-unwirklichen Werbedrehkulisse laufen schließlich alle Fäden zusammen. »Row row row your boat … life is but a dream« – wer mit dieser Songzeile etwas anfangen kann, dem sei Beuses Roman ans Herz gelegt.
Stefan Beuse: Das Buch der Wunder. Mairisch, Hamburg 2017, 224 Seiten, 18 Euro
Jungle World / März 2017