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Foto (c) 2016 Daredo Media

Alles rosarot?

Der neue „German Mumblecore“ hat den Kinogängern schon einige aufregende Filme beschert – und einige junge, großartige Schauspielerinnen wie Lana Cooper: Wie sie in Jakob Lass‘ „Love Steaks“ die alkoholabhängige, aggressive Köchin spielt, gehört zu den Höhepunkten deutscher Schauspielkunst der letzten Jahre.

In „Beat Beat Heart“, Luise Brinkmanns Abschlussfilm für die Internationale Filmschule Köln, verkörpert sie ergreifend eine von Liebeskummer gepeinigte Frau. Die versucht ihre Depression zu bewältigen, indem sie sich von Zeit zu Zeit auf Bahngleise legt – und dort auf die Rückkehr ihres vermeintlichen Seelengefährten wartet. Leider verfolgt Brinkmann jedoch noch so viele andere Liebeskummer-Nebenstränge, dass die interessante Figur in einem recht eintönigen Schlagabtausch mit der „Generation beziehungsunfähig“ versinkt.

Zu Beginn des Films idealisiert die unverwüstliche Romantikerin Kerstin ihren Thomas (Till Wonka) noch in ihren Tagträumereien, „rosaroten“ Rückblenden genauer gesagt. Stur geht sie davon aus, dass er eines Tages zurückkehren wird und blendet zunächst die unschönen Szenen aus, die sich zwischen ihnen abgespielt haben.

Doch statt Thomas steht eines Tages plötzlich Kerstins attraktive Mutter Charlotte (berührend verkörpert von Saskia Vester) mit einem riesigen Koffer vor der Tür ihres dauerrenovierungsbedürftig wirkenden Domizils auf dem Lande. Mama Charlotte steckt in einer Midlife-Crisis, hat ihren Freund unüberlegt verlassen und weiß nicht richtig, wohin mit sich. Ihre an der ewigen Liebe festhaltende Tochter hat wenig Verständnis für Charlottes Entschluss. Ganz anders Kerstins lustvolle Mitbewohnerin Maja (Christin Nichols), die jeden Tag einen anderen Kerl im Bett hat und mit ihrer Lebensmaxime – „Kein Mann ist es wert, dass man wegen ihm heult oder sich scheiße fühlt“ – prächtig fährt.

Bei dem Pärchen von nebenan stehen die Zeichen ebenfalls auf Krise. Während Paul (Aleksandar Radenkovic) wie Kerstin ein unerträglicher Romantiker ist, stört seine Freundin Franzi (Caroline Erikson) in ihrer Beziehung etwas, ohne dass sie es richtig benennen könnte. Durch die Beobachtung der beiden und ihre Annäherung an Paul, beginnen sich Kerstins Tagträumereien zu verändern. Mehr und mehr lässt sie auch unangenehme Erinnerungen an ihren Märchenprinzen Thomas zu.

So bilden die schweren Beziehungsprobleme der kleinen Gemeinschaft einen interessanten Gegensatz zu dem warm-flirrenden Sommer vor ihrer Haustür, der durch den leichtfüßigen Einsatz der Handkamera von Mathis Hanspach und den geschickten Schnitt von Maren Unterburger einnehmend in Szene gesetzt wird. Auch das durchweg ansprechende, improvisierte Schauspiel vermag dem überbordenden Liebeskummer-Sumpf viel von seiner lähmenden Schwere zu nehmen und über gelegentliche Längen hinwegzuhelfen.

Dennoch ist es schade und auch ein wenig langweilig, dass all die interessanten, eigenwilligen Frauen in dem Debütfilm der jungen Autorenfilmerin Luise Brinkmann nichts anderes im Kopf zu haben scheinen als Liebe und Sex. In der Mitte des Films nahm sich die vom Liebeskummer gebeutelte Kerstin noch vor, in dem Kino, das sie auf ihrem Hof herrichten will, nur Horror- und Splatterfilme zu zeigen. Wenn sie dann am Ende des Dramas konstatiert: „Irgendwie hab ich jetzt doch mal wieder Lust auf ’nen Liebesfilm“, haben die meisten Zuschauer dagegen sicher von dem ausgiebigen Herzgeklopfe 2.0 erst einmal die Nase gestrichen voll.

Stimme / April 2017