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Foto (c) RazorFilm

Überambitionierter Metafilm

Shirin Neshat und ihr Co-Regisseur Shoja Azari scheitern mit ihrem Versuch, einen Metafilm über die Annäherung an den arabischen Volksmythos Oum Kulthum zu drehen.

Shirin Neshat ist eine hochinteressante, feministische Künstlerin, die man im Auge behalten sollte. Mit ihrem Filmdebüt „Women Without Men“ gewann sie 2009 den Silbernen Löwen von Venedig. 2017 stellte sich die Malerin, Fotografin, Videokünstlerin und Filmemacherin einer neuen künstlerischen Herausforderung und inszenierte für die Salzburger Festspiele „Aida“ – mit Operndiva Anna Netrebko in der Hauptrolle. Auch ihr neuster Film, der letztes Jahr ebenfalls in Venedig Premiere feierte, beschäftigt sich mit Musik und einer Diva: der legendären, ägyptischen Sängerin Oum Kulthum. Jedoch versucht die ehrgeizige Regisseurin, gleich mehrere Geschichten zu erzählen. Das Leben der Sängerin spielt dabei, anders als der Titel „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ womöglich erhoffen lässt, nur eine untergeordnete Rolle. Wer ein Biopic über die „Maria Callas des Orients“ erwartet, der sei vorgewarnt: Er wird maßlos enttäuscht sein.

Wie Neshat selbst ist die eigentliche Hauptperson ihres Films eine moderne persische Regisseurin, die – wie damals die legendäre Sängerin – nicht dem traditionellen Bild von Frauen entspricht. Eine Künstlerin dreht einen Film über eine Künstlerin, die einen Film über eine Künstlerin dreht.

Im Kern wird die Geschichte der Exil-Iranerin Mitra (Neda Rahmanian) erzählt, die vom Mythos Oum Kulthums fasziniert ist und einen Film darüber drehen möchte. In der schüchternen Lehrerin Ghada (Yasmin Raeis) findet sie die perfekte Besetzung. Während der Dreharbeiten hat Mitra allerdings mit allerlei Hindernissen zu kämpfen: Einige ihrer Mitarbeiter stören sich daran, dass sie eine Frau ist, andere zweifeln an ihrer Fähigkeit, Kulthum und ihren Einfluss auf die arabische Volksseele zu verstehen und angemessen in Szene zu setzen. Als sie dann auch noch erfährt, dass ihr Sohn im Iran verschwunden ist, den sie aufgrund ihres Exils sieben Jahre nicht gesehen hat, erleidet sie einen Zusammenbruch.

Zwei Dinge halten den Zuschauer bei diesem überambitionierten Projekt bei der Stange: Zum einen sind es die fantastischen Bilder von Neshats österreichischem Stammkameramann Martin Gschlacht, seine beklemmend-surrealen, in zarten Farben gehaltenen Traumsequenzen bleiben noch lange im Gedächtnis. Sowohl seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Kulthums Kindheit als auch die farbgesättigten Bilder des Films im Film lassen die Grenze zwischen Story und eingefügten dokumentarischen Aufnahmen bewusst verwirrend verschwimmen.

Zum anderen hat die Regisseurin in der Iranerin Yasmin Raeis eine erstaunliche Schauspielerin gefunden, die stimmlich durchaus mit dem Gesangsstar mithalten kann, der mit seinen Darbietungen die Ärmsten der Armen mit der Oberklasse bis hin zu Staatspräsident Nasser in hingebungsvollem Lauschen vereinigte.

Geboten bekommt der Zuschauer eine recht bemüht wirkende filmische Reflexion darüber, wie man sich als Ausländerin, die nicht einmal Arabisch spricht, der Gesangsikone Oum Kulthum nähern könnte, welche Opfer man als Künstlerin (auch heute noch) bringen muss und wie schwer es ist, sich in einer männerdominierten Welt, die sich auch am Filmset widerspiegelt, mit seinen Visionen durchzusetzen. Doch leider findet man als westlicher Zuschauer, der womöglich noch nie von Oum Kulthum gehört hat, keinen Zugang zu Neshars allzu ehrgeizigem Film. Diese Geschichte ist schlichtweg längst nicht so spannend, wie es ein simples Biopic über diese enigmatische Sängerin gewesen wäre, die ihrer Zeit weit voraus war.

Stimme / Mai 2018