F

Foto: dpa

Erhebt eure Gabeln!

Da lachen ja die Hühner? Stimmt leider überhaupt nicht! Jonathan Safran Foer und Karen Duve schreiben gegen das große Verdrängen an

Eierlegende Hühner in den Vereinigten Staaten haben zum Leben kaum so viel Platz zur Verfügung wie dieser Artikel einnimmt! In Deutschland gesteht man nun dem Huhn etwas mehr Lebensraum pro Quadratmeter zu. Hierbei handelt es sich um eine Platzerweiterung “von gerade einmal knapp fünf EC-Karten” wie der Amerikaner Jonathan Safran Foer, Autor des Bestsellers “Tiere essen” in seinen Anmerkungen zur Lage in Deutschland so treffend bemerkt.

“Jemand, der so etwas tut, ist nicht ganz dicht. Oder bösartig”, bemerkt Karen Duve, Autorin der im Januar erschienenen, selbstironischen Geschichte eines Ernährungsselbstversuchs: “Anständig essen”. Die Schamgrenze des modernen Menschen scheint beständig zu sinken.

“Was wir in Bezug auf Tiere vergessen, vergessen wir langsam auch in Bezug auf uns”, formuliert Foer für seine Verhältnisse äußerst provokant. Unerbittlich schildert er die menschenrechtsverletzende Tätigkeit der Arbeiter, die unter brutalen Bedingungen Tiere schlachten müssen – fast alle männlichen Nachkommen von Legehennen werden übrigens grausam getötet, damit es uns für zehn Minuten schmeckt.

Die Wucht der zusammengetragenen Informationen der beiden Autoren – der eine wurde durch die Geburt eines Sohnes, die andere durch eine neue kritische Mitbewohnerin aufgerüttelt – bergen die Gefahr, auch den hartnäckigsten Fleisch-Freund umzudrehen. “Mitgefühl ist ein Muskel”, sagt Foer, er verkümmert, wenn er nicht trainiert wird. Seine jüdische Großmutter, die während des Krieges, kurz vor dem Hungertod ein ihr angebotenes Stück Schweinefleisch ablehnte, weil es nicht koscher war, brachte ihrem Enkel das Ziehen von Grenzen bei. “Wenn nichts mehr wichtig ist, gibt es nichts zu retten.”

Foers und auch Duves gar nicht “besseresserische” Recherchen aus der Sicht von Fleischessern, die nicht mehr verdrängen wollen, dass die Tiere, die sie essen, überaus qualvoll leben und sterben, laufen zumindest auf ein Verbot der Massentierhaltung hinaus. Zudem geben beide Autoren zu bedenken, dass sich die meisten Wissenschaftler darüber einig sind, dass die massenhafte Tierhaltung “eine der Hauptursachen für Welthunger, Umweltverschmutzung, Bodenzerstörung, zu hohen Wasserverbrauch, Verlust der Artenvielfalt und insbesondere den Klimawandel” ist. Die Argumente der Fleischgenießer werden immer irrelevanter, Gleichgültigkeit immer schwieriger. “Sobald wir unsere Gabeln heben, beziehen wir Position.”  

Berliner Zeitung 2010