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Foto (c)  Warner Bros. 2018 Ent. Inc. _ Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Die Wiedergeburt der Lady Gaga als Filmstar

Lady Gaga überzeugt unter der Regie von Bradley Cooper in ihrer ersten Hauptrolle als aufgehender Stern am Künstlerhimmel.

Die selbstbewusste Lady Gaga ist eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt. In Bradley Coopers Musikfilm „A Star is Born“ nimmt ihr der Zuschauer jedoch von der ersten Minute an ab, sie sei die zwar höllisch talentierte, aber hoffnungslos unscheinbare junge Sängerin Ally. Zweifelsohne wurde Lady Gaga durch das Beziehungsdrama, das in Venedig in diesem Jahr seine spektakuläre Premiere feierte, noch einmal als Filmstar wiedergeboren. Der Film, mit dem der vierfach für den Oscar nominierte „Hangover“-Star Bradley Cooper sein Regiedebüt gibt, ist bereits das vierte Remake um einen alkoholkranken Künstler, der eine erfolglose Künstlerin entdeckt, sich in sie verliebt, sie fördert und in ihrem Ruhmesschatten schließlich untergeht. Janet Gaynor und Fredric March gaben 1937 zuerst das verliebte Paar im Showgeschäft, darauf folgten 1954 Judy Garland und James Mason, zuletzt kämpften Barbra Streisand und Kris Kristofferson mit Licht- und Schattenseiten des Ruhms.

Der charismatische Country-Star Jackson Maine (kann erstaunlich gut singen: Bradley Cooper) schmeißt vor seinem Auftritt Pillen ein, genehmigt sich einen Drink, tritt lächelnd mit seiner Gitarre auf die Bühne – und begeistert vom ersten Riff an das Publikum. Hautnah erlebt man ihn bei dem Konzert und bekommt das überwältigende Gefühl, selbst auf der Bühne zu stehen, vor der johlenden Masse und dem blendenden Scheinwerferlicht. Auch der quälende Tinnitus, mit dem Jackson zu kämpfen hat, fühlt sich an, als hätte man ihn selbst.

Die Szene zu Beginn des Films ist, wie alle anderen Konzertszenen, von Darren Aronofskys Stammkameramann Matty Libatique großartig eingefangen. Alle Songs wurden live eingespielt und entstanden eigens für den Film – viele davon unter Mitarbeit von Willie Nelsons Sohn Luke.

Auf der Suche nach einem Drink landet Jackson in einem Drag-Club, wo er Ally (Stefani Germanotta alias Lady Gaga) eine Wahnsinnsversion von „La vie en rose“ singen und performen sieht – und ist hin und weg von dieser eigenwilligen Frau und ihrem großartigen Talent. Die beiden Musiker lernen sich näher kennen, Ally erzählt ihm von ihren inzwischen begrabenen Ambitionen, Sängerin zu werden. Trotzdem singt sie ihm ein paar Zeilen eines selbstgeschriebenen Songs vor – und um Jackson ist es geschehen. Am Tag darauf lässt er sie zu einem Konzert einfliegen und drängt sie auf die Bühne, wo sie gemeinsam Allys Song performen. In dieser großartigen Szene spürt man mit jeder Pore seines Körpers die Chemie zwischen den beiden Künstlerseelen, und man zweifelt keine Sekunde mehr daran, dass man Zeuge des Beginns einer großen Liebe wird.

Doch es dauert nicht lange, bis der leider zu klischeehaft dargestellte Musikmanager (Rafi Gavron) auf den Plan tritt. Mit gefärbtem Haar und komplizierten Tanzchoreografien schickt er Ally auf den Highway zum Weltstar, während der selbstzerstörerische Jackson vor den Augen seiner Liebsten und denen seines Bruders und Managers Bobby (Sam Eliott)  rasant abbaut.

Social Media und Selfies mit kreischenden Fans spielen bei Allys Senkrechtstart merkwürdigerweise kaum eine Rolle. Davon scheint Cooper so wenig zu verstehen wie Allys Vater Lorenzo (Andrew Dice Clay), der mit seinen Kumpels verständnislos den ersten viral gehenden Konzertmitschnitt von Jackson und Ally auf YouTube anschaut. Das lässt die moderne Version des Filmklassikers trotz Lady Gaga ein wenig antiquiert wirken.

Leider versprüht der zunächst so einnehmende Film in der letzten Hälfte, in der es um Allys Auf- und Jacksons Abstieg geht, nicht mehr ganz so viel Charme und Energie und schrammt so knapp an einem neuen Kult-Musikfilm vorbei. Dennoch wäre zumindest ein Oscar für den besten Song für Lady Gaga mehr als verdient.

„A star is born“ in Prisma von Okt. 2018