Foto: 2014 Concorde Filmverleih GmbH
Mit Franco und Stalin per Du
„Das Leben ist wie es ist und es kommt wie es kommt“ – so lautet das Motto von Allan Karlsson, der Hauptfigur in Felix Herngrens recht vergnüglichem Roadmovie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Mit diesem Lebensleitspruch hat es der gleichmütige Sprengstofffanatiker, der vielen Menschen bereits aus dem gleichnamigen Millionenbestseller von Jonas Jonasson bekannt ist, immerhin schon auf ereignisreiche hundert Jahre gebracht. Die Geschichte des lebensfrohen Ignoranten, der wie „Forrest Gump“ durch die Weltgeschichte stolpert, könnte nun auch zum Kinoerfolg werden.
Gelangweilt vom Leben im Seniorenheim klettert Allan Karlsson (Robert Gustafsson) just an seinem hundertsten Geburtstag aus dem Fenster und verschwindet. Ein wahllos gelöstes Busticket bringt ihn zunächst in ein schwedisches Kaff und durch Zufall auch in den Besitz eines Geldkoffers mit 50 Millionen Euro. Fortan wird er nicht nur von der Polizei gesucht, die den entschwundenen Seniorenheimbewohner wieder nach Hause bringen soll, sondern auch von einer – etwas übertrieben – tumben Biker-Gang. Doch auf seiner Flucht schließt der arglose Allan viele Freundschaften: Mit dem Gelegenheitsdieb Julius Jonsson (Iwar Wiklander), dem zögerlichen Langzeitstudenten Benny (David Wiberg), der toughen Gunilla (Mia Skäringer) und auch deren Elefantendame Sonja.
Der schwedische Starkomiker Robert Gustafsson, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, verkörpert die neue skandinavische Kultfigur sehr überzeugend – sowohl im hohen Alter als auch in den geschickt eingebauten Rückblenden. Durch diese erfährt der Zuschauer mehr über das erstaunliche Leben dieses Antihelden, der einst von einem Rassenbiologen zwangssterilisiert wurde und dennoch stets er selbst geblieben ist. Vom Affenzirkus der ungeniert fiktionalisierten Weltgeschichte hat sich Allan nie beeindrucken lassen – stets war er glücklich und zufrieden, wenn er seinen Leidenschaften für Schnaps und Sprengstoff nachgehen kann.
Es hat ihn dabei nie interessiert, ob er etwa Robert Oppenheimer zufällig zum Durchbruch beim Bau der Atombombe verholfen hat, wechselweise finsteren Gestalten der Weltgeschichte wie Spaniens Diktator Franco (Koldo Losada) oder Josef Stalin (Algirdas Romualdas) zu Diensten war oder im Kalten Krieg beide Seiten mit wertlosen Informationen versorgte. Politisch korrekte Menschen werden bei den Szenen, die die Faschisten verharmlosen, schon zu schlucken haben. Doch in dem derb-satirischen Schelmenstück, das Kinodebütant Felix Herngren mit einem Schwerpunkt auf die dramatischen Momente der Vorlage recht eindrucksvoll in Szene gesetzt hat, bleibt der moderne Methusalem stur seinem offensichtlich gesundheitsfördernden Lebensmotto treu: „Reue bringt nichts – es sei denn man hat eine Zeitmaschine“.
So entspannt möchte wohl ein jeder auf sein Leben zurückblicken können, vielleicht machte dieser sorglose Geist den Roman zum Welterfolg. Und da die Krimikomödie ebenso viel typisch skandinavisch-skurrilen Charme versprüht wie die Vorlage, hätte sie ebenso das Zeug zum Kinokassenschlager. Ob Allan Karlsson wohl das damit gemeint hat, als er sagte, dass letztlich eines immer zum anderen führt?
NWZ / März 2014