Öffne das gepanzerte Herz deiner Lehrerin!
Generation Kplus: In »It’s okay« ist eigentlich nichts okay
Diese Jahr muten die Kinderfilme aus aller Welt auf der Berlinale ihrer Zielgruppe wieder einiges zu. Selbst in der Sektion Generation Kplus erleben sie gemeinsam mit einem achtjährigen Alpaka-Hirten, wie ein Minenkonzern massiv ihre naturverbundene Lebensweise bedroht (»Raiz«, ab 7 Jahren) oder müssen mitansehen, welche Ängste zwei Schwestern in Lima durchstehen, als sie von der Guerillagruppe »Leuchtender Pfad« nachts aufgegriffen werden (»Reinas«, ab 12).
Auch die Welt der Protagonistin des südkoreanischen Spielfilmdebüts »It’s okay« von Kim Hye-young, der ab 11 Jahren empfohlen wird, ist eigentlich so gar nicht in Ordnung. Dennoch schafft es In-Young es mit ihrer unvoreingenommenen Art und ihrem Mut, dem Schicksal immer wieder ins Gesicht zu lachen und das Beste daraus zu machen. In-young wird mitreißend von der 17-jährigen Schauspielerin Lee Re gespielt, die bereits mit sieben Jahren ihren Durchbruch als Kinderdarstellerin in Lee Joon-iks Drama »Hope« feierte.
Gleich zu Beginn des Films verliert die Highschool-Schülerin, während sie mit ihrer Tanzgruppe in Übersee auftritt, ihre alleinerziehende Mutter bei einem Autounfall. Fortan wohnt sie allein und schafft es fürs Erste, sich dem Jugendamt zu entziehen. Dabei probt sie weiterhin mit ihrer ambitionierten Truppe, die traditionelle koreanische Tänze einstudiert. Die stimmig in die Handlung eingewobenen Sequenzen von den Proben und Aufführungen bestechen durch die Präzision und die Konzentrationsfähigkeit der jungen Tänzerinnen. In diesem weiblichen Kosmos herrscht die strenge Chef-Choreographin Seol-ah, die faszinierend von Jin Seo-yeon verkörpert wird. Diese krankhaft disziplinierte Frau akzeptiert weder bei sich noch bei anderen den allerkleinsten Fehler.
Zudem wird In-young von ihren Mittänzer*innen gemobbt, da sie seit dem Tod ihrer Mutter für ihre Ausbildung nicht mehr selbst zahlen muss. Insbesondere Na-ri, die Tochter einer Sponsorin der renommierten Schule setzt ihr schlimm zu. In-youngs einziger Halt ist ein freundliche Apotheker in ihrer Nachbarschaft, dem sie auch ihre trauernde Seite zeigen kann, und ein alter Schulfreund, der von Lee Jung-ha, dem übermenschlichen Helden der Disney-Actionserie »Moving«, gespielt wird.
Als der Vermieter sie wegen ihrer überfälligen Miete rausschmeißt, zieht sie heimlich mit Sack und Pack in die Tanzschule. Das geht nicht lange gut, ihre Lehrerin Seol-ah erwischt sie dabei und nimmt sie zähneknirschend für ein paar Tage bei sich auf. Natürlich stellt sie erst einmal jede Menge Regeln auf. Ihre perfekte Wohnung spricht Bände, in ihrem privaten Tanzsaal im Kellergeschoss darf In-young gnädigerweise ein Schlafzelt aufbauen. Entsetzt stellt das Mädchen fest, das Seol-ah sich ausschließlich von giftgrünen Smoothies ernährt. In einer fantasievollen Szene stellt sie sich Seol-ah als böse Hexe vor, die Angelina Jolies »Mistress of Evil« nur wenig nachsteht.
Doch mit unbekümmerten Babyschritten gelingt es In-Young in das gepanzerte Herz ihrer Lehrerin vorzudringen. Auch Seol-ah ist offensichtlich Opfer einer überehrgeizigen Mutter – genau wie ihre Mittänzerinnen, die schreckliche Angst haben, zu versagen. Bis zur großen Schlussperformance zum 60-jährigen Jubiläum der Seoul International Arts Company müssen die Choreographin und ihre Tänzerinnen lernen, sich von ihren anspruchsvollen Müttern, die selbst Schülerinnen dieser Schule waren, zu emanzipieren. So wird aus disziplinierten Einzelkämpferinnen eine Tanztruppe, die freudvoll zusammenarbeitet.
Die Geschichte ist recht absehbar und der Film fällt unverhohlen in die Kategorie märchenhafte Mutmachfilme, in der Freundschaft und Gemeinschaftssinn als Schlüssel zum Glück verkauft werden. Dennoch wirkt In-Youngs fröhlicher Kampfgeist ansteckend und verleiht dem Tanzdrama einen besonderen Zauber. Schließlich sollte das Kino – gerade auch für die jungen Zuschauer*innen – auch immer ein Ort der Zuflucht und des Träumens sein. Und siehe da – die Kinderjury der Sektion Generation Kplus hat ihm einen Gläsernen Bären verliehen.
Foto (c) Twomen Film