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Foto (c) imago/ZUMA Press/Entertainment Pictures

Krieg im Mädcheninternat

Sofia Coppolas ist zurück mit einem atemberaubendes Südstaaten-Drama, einem Kinofest der subtilen Blicke und Gesten, dass nicht nur durch bedeutungsschwere Kostümen und wohl durchdachter Ausstattung beeindruckt.  Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes brachte „Die Verführten“ der für „Lost in Translation“ dereinst mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichneten Filmemacherin den Regiepreis ein. 

Ihre Interpretation von Thomas P. Cullinans Roman „A Painted Devil“ unterscheidet sich deutlich von Don Siegels machohafter Deutung desselben Stoffes aus dem Jahre 1971. Damals legte der Dirty-Harry Regisseur in „Betrogen“ den Fokus auf seinen teuflisch verführerischen Hauptdarsteller Clint Eastwood: Im Sezessionskrieg wird ein verwundeter Nordstaatler von den Bewohnerinnen eines Mädcheninternats aufgenommen und nach anfänglichem Zögern von ihnen heimlich gepflegt. Geschickt spielt er die hysterisch agierenden Frauen gegeneinander aus.

Durch Coppolas feministischen Perspektivwechsel ist der ansehnliche Corporal (Colin Farrell) nunmehr ein recht freundliches Mannsbild. Doch er ist der Schulleiterin Martha Farnsworth (Nicole Kidman), der einzigen Lehrerin Edwina Dabney (Kirsten Dunst) und Schülerinnen wie Alicia (Elle Fanning) – und ihren unterschiedlich motivierten Begehrlichkeiten – von Anfang an hilflos ausgeliefert. Die essenzielle Aussage des von Philippe Le Sour (The Grandmaster“) atemberaubend fotografierten, erschütternd endenden, radikal verdichteten und von feinem Humor durchzogenen Kammerspiels ist jedoch: Krieg und Unterdrückung bringen bei allen Geschlechtern stets die rohste Seite hervor. Da kann selbst gelebte weibliche Solidarität einen sehr fiesen Beigeschmack bekommen.

„Die Verführten“. In Missy Magazine 06/17