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Foto (c) Mary Cybulski/Twentieth Century Fox Film Corporation

Die wahre Lust am Fälschen

Welche Ironie! Mit Biografien über Stars wie Estée Lauder wollte es die Amerikanerin Lee Israel zu literarischem Ruhm bringen. Doch wirklich bekannt wurde sie erst, als sie Jahre später ein Buch über sich selbst schrieb – und über ihre kriminelle Karriere. Rund 400 Briefe von verstorbenen Prominenten fälschte Israel in den frühen 90-ern, bis sie nach nicht mal einem Jahr aufflog. Bei ihrer Verurteilung betonte sie, dass sie nichts bereue, im Gegenteil: Ihre Zeit als Fälscherin seien die besten Monate ihres Lebens gewesen. Sechs Monate Hausarrest und fünf Jahre Gefängnis auf Bewährung lautet das Urteil. Regisseurin Marielle Heller bringt nun Israels Memoiren „Can You Ever Forgive Me?“ auf die Leinwand, als großartige Mischung aus Drama und Komödie.

Ziemlich am Anfang des für drei Oscars nominierten Films sehen wir die ehemals sehr erfolgreiche, nun aber etwas abgehalfterte Leonore Carol „Lee“ Israel (Melissa McCarthy) auf eine Party ihrer Literaturagentin. Die kratzbürstige und ungepflegte Autorin streitet sich mit ihr, spottet über den angeberischen Partygast Tom Clancy, trinkt sich einen an und verlässt das Fest wieder mit geklautem Klopapier, ein paar Shrimps, die sie sich später mit ihrer Katze teilen wird, und einem Mantel, der nicht ihr gehört. Nie sah das großartig in Szene gesetzte New York der 90-er, durch das Lee in ihre verwahrloste Wohnung zurückstapft, trostloser aus als hier, selten ist man im Film einer derart unsympathischen Heldin begegnet.

Als Lee die Zwangsräumung droht, entschließt sie sich, einen Brief, den sie als ehemals erfolgreiche Biografin von Katherine Hepburn bekommen hatte, zu verkaufen. Sie erhält erstaunlich viel Geld für das Schreiben, und als ihr dann auch noch in der Stadtbibliothek ein leider recht substanzloser Brief von Fanny Brice in die Hände fällt, den sie ein wenig aufmotzt, ist eine neue Geschäftsidee geboren: Die abgebrannte 51-Jährige beginnt, Briefe von Prominenten wie Dorothy Parker und Noel Coward zu fälschen. Dabei trifft sie den „einzigartigen“ Ton dieser Schriftsteller so gut, dass es ihr selbst, aber auch den Käufern und dem Zuschauer eine wahre Freude ist.

In der berühmten, altehrwürdigen Julius‘ Bar im Greenwich Village begegnet Lee eines Tages auf ihrem alten Bekannten Jack Hock (ebenfalls hinreißend: Richard E. Grant), der wie sie auch schon wesentlich bessere Tage gesehen hat. Wie diese Trinkkumpane und zutiefst einsamen Verlierer ungeschickt aufeinander zugehen, nur um sich im nächsten Moment wieder gegenseitig köstliche, pointierte Gehässigkeiten an den Kopf werfen, ist ganz großes Kino.

Schon bald weiht Lee den ebenso skrupellosen Jack in ihre krummen Geschäfte ein, und als das FBI ihr allmählich auf die Spur kommt, beginnt er für sie die gefälschten Briefe zu verkaufen. Als auch dies zu heiß wird, verlegen sich die beiden darauf, aus Bibliotheken Originalbriefe zu entwenden, die Lee fälscht und Jack an zahlungskräftige Kunden vertickt.

Nein, die Zynikerin Lee Israel ist wahrlich keine Sympathieträgerin. Dennoch folgt man ihr Dank der einfühlsamen Inszenierung von Marielle Heller („The Diary of a Teenage Girl“) und der unglaublich nuancierten Darstellung von Melissa McCarthy gebannt auf Schritt und Tritt. Völlig zurecht darf McCarthy, die sonst dem Publikum eher als grobe Ulknudel aus Filmen wie „Brautalarm“ bekannt ist, auf einen Oscar als beste Hauptdarstellerin hoffen. Schade nur, dass „Can You Ever Forgive Me?“ der Liebesbeziehung, die sich zwischen Lee und der zurückhaltenden Buchhändlerin Anna (Dolly Wells) entwickelt, nur wenig Aufmerksamkeit schenkt.

„Can You Ever Forgive Me?“ in Weser Kurier von Feb. 2019