Foto (c) 2019 Constantin Film Verleih GmbH/SamFilm GmbH/Marc Reimann
Systemsprengerin auf Gut Kaltenbach
Neuzugang bei „Ostwind“: Kann Wildfang Ari dem eigentlich auserzählten Franchise um die besondere Verbindung zwischen Menschen und Pferden noch einmal einen entscheidenden Impuls geben?
Ein Mädchen mit mangelnder Impulskontrolle, eine vor Energie berstende zehnjährige Schauspieldebütantin: Das konnte man soeben im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale im mit einem Silbernen Bären ausgezeichneten Drama „Systemsprenger“ erleben. In „Ostwind – Aris Ankunft“ ist jetzt ebenfalls eine solche Systemsprengerin zu bewundern: Die großartige zwölfjährige Schweizerin Luna Paiano, die als Wildfang Ari den titelgebenden Hengst wieder auf Spur bringen soll.
Ein Blick zurück: Im dritten Teil der Kinoreihe (2017) war Ostwind in Spanien erfolgreich ausgewildert worden. Doch nun übernimmt Regisseurin Theresa von Eltz („4 Könige“) noch einmal den Staffelstab von Katja von Garnier und spinnt das beliebte Pferdefranchise weiter. Die mit „Ostwind“ mystisch verbundene Mika (Hanna Binke) kehrt, einer dunklen Ahnung folgend, noch einmal nach Spanien zurück.
Kaum dort angekommen, kann sie den Hengst mit der charakteristischen Mähne gerade noch vor einem Wildfeuer retten – eine beeindruckende Sequenz, die die neue Regisseurin Theresa von Eltz und ihr Kameramann Florian Emmerich gekonnt in Szene setzten.
Nach dem traumatischen Vorfall fällt Mika ins Koma. Doch die „Schläferin“ – Kenner erinnern sich, dass der weit herumgekommene Herr Kaan Menschen wie Mika, die am liebsten bei den Pferden schlafen, so bezeichnete – ist im Traum mit ihrem geliebten Ostwind und der ihr noch unbekannten Ari verbunden. Ari trägt die Anlagen zu einem anderen Typ Pferdemensch in sich, nämlich dem des energiespendenden „Kriegers“. Genau diese Energie benötigt der unter Mikas Abwesenheit leidende Ostwind, um den Teufelskreis zu durchbrechen und sich und Mika ins Leben zurückzuholen.
Leider hat Drehbuchautorin Lea Schmidbauer ihre im Kern stimmige und anrührende Geschichte um ein Mädchen, das allein den traumatisierten Hengst wieder in seine Kraft bringen kann, mit einem eher langweiligen Krimiplot um eine intrigante, blonde Femme fatale und ihren miesen, zorroartigen Gefährten kombiniert. Wie in vielen Pferdefilmen der letzten Jahre, von „Wendy“ bis hin zu „Immenhof“, handelt es sich dabei um skrupellose Kapitalisten, die den Hof hinterrücks übernehmen wollen.
Die altbekannte Fanny (Amber Bongard), die mittlerweile ein Praktikum beim Jugendamt macht – und wieder für ein paar lustige Sprüche gut ist – schleppt Ari auf Gut Kaltenbach an, nachdem das burschikose Mädchen soeben aus der achten Pflegefamilie geflogen ist. Schon bald gerät Ari, die immer, wenn sie Angst hat, zuschlägt und sich dennoch heimlich ein wenig mit Ostwind angefreundet hat, unter die Fittiche des Pferdeverstehers Herr Kaan (lohnenswertes Wiedersehen mit Tilo Prückner). Er bringt ihr Geduld, Selbstbeherrschung und Konzentration bei. Dabei weist er Ari auch in die Kunst des Bogenschießens zu Pferde ein – Stoff für weitere, beeindruckende Sequenzen.
Ansonsten aber geizt der vierte „Ostwind“-Film mit den spektakulären Pferdeaufnahmen, die man von den vorigen Filmen kennt. Auch hätte man gerne mehr davon gesehen, wie man gemäß der Kunst des „Natural Horsemanship“ mit den Tieren umgeht. Denn genau durch diese Leckerlis stach die „Ostwind“-Reihe immer aus dem Pferdefilm-Einheitsbrei heraus. Der Neuzugang der wilden Ari, die auf Kaltenbach zu sich selbst findet, macht den Film indes sehenswert. Möge ihr und den Pferden im unvermeidlichen fünften Teil mehr Leinwandzeit gegönnt sein!