Foto (c) Universal Pictures
Herr der Städte
In einer postapokalyptischen Welt ist London zu einer Monsterstadt geworden, die auf Rädern durch das einstige Europa walzt, um alles Ess- und anderweitig Verwertbare, was unterlegene Städte auf Rädern zu bieten haben, zu verschlingen und sich deren Einwohner untertan zu machen. Was klingt wie eine kranke, düstere „After-Brexit“- Fantasie, ist der leider stotternde Auftakt zu einem vierteiligen Film-Epos unter der Ägide von „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson. Sein langjähriger filmischer Weggefährte Christian Rivers, der 2006 einen Oscar für die Special Effects von Jacksons „King Kong“ erhielt und bei den umfangreichen Dreharbeiten zu „Der Hobbit“ auch schon mal inszenieren durfte, führte bei diesem Mammutprojekt zum ersten Mal durchgängig Regie.
Es beginnt ungewöhnlich und verheißungsvoll: Die Menschen haben wenig aus der Vergangenheit gelernt. Ein gnadenloser „60-Minuten-Krieg“, bei dem Quantenwaffen eingesetzt wurden, hat die Erde komplett verwüstet, eine „Mad Max“-artige Szenerie hinterlassen. Das kleine, mobile Städtchen Salthook – an Michael Bays „Transformers“ erinnernd – flieht vor London, einer imposanten Stadt mit St. Paul’s Cathedral auf der Spitze. Keine Frage: Christian Rivers, der bei Jackson als Storyboardzeichner begann und sich zum SFX-Experten hocharbeitete, versteht sein CGI-Handwerk.
London schluckt Salthook, verleibt sich seine Low-Tech-Raritäten und andere Ressourcen ein. Aus den Lautsprechern ertönt die Durchsage, Kinder würden bei der Eingliederung vorübergehend von ihren Eltern getrennt – natürlich muss man sofort an Trumps gnadenlose Null-Toleranz-Linie an der mexikanischen Grenze denken – doch der kritische Seitenhieb verpufft leider allzu rasch.
Einer der Einwohner der dominanten Metropole ist der Experte für die Technologie der „Damaligen“, Tom Natsworthy (der irische Nachwuchsdarsteller Robert Sheehan), der den renommierten Historiker Thaddeus Valentine (Hugo Weaving) verehrt. Doch es dauert nicht lange, bis dieser sich als klischeehafter Bösewicht entpuppt. Als die durch eine Narbe auf dem Gesicht entstellte Hester Shaw (Hera Hilmar) versucht, Valentine zu töten, kann Tom das in letzter Minute verhindern. Doch nach einer recht eindrucksvollen Verfolgungsjagd durch die mahlenden Mühlen der gefräßigen Stadt erfährt Tom den Grund für den Mordanschlag: Thaddeus hat einst Hesters Mutter getötet.
Der gutherzige Tom schlägt sich fortan mit dem unnachgiebigen Racheengel Hester durch. Als sie auf der Flucht mit ihm einen eingeschweißten Kuchen teilt, dessen Verfallsdatum vor langer Zeit abgelaufen ist, kommt es zum einzig guten Witz in dem erschreckend humorlosen und insgesamt dialogschwachen Film.
Leider verpasst es Rivers, der es mit „Mortal Engines“ bereits in die Vorauswahl für die Oscarverleihung 2019 in der Kategorie Beste visuelle Effekte geschafft hat, Figuren, mit denen man in den zahlreichen Kämpfen mitfiebert, in Szene zu setzen. Junkie XL’s bombastischer Score macht die Sache leider nicht besser.
Als Thaddeus Shrike, eine Art bösartigen Terminator, halb Maschine, halb Zombie, auf Hesters Fährte setzt, stellt sich heraus, dass den ein wenig lächerlich wirkenden Shrike eine gemeinsame Vergangenheit mit dem Waisenkind verbindet. Eine Hintergrundgeschichte, die den Zuschauer vermutlich rühren soll, dies aber genauso wenig schafft, wie einem die Schicksale der anderen Helden zu Herzen gehen.
Mittelbayerische / Dez. 2018