Foto: (c) Peter Indergand, Majestic/zero one film
Ein bisschen Goldfolie
Der Film »Eldorado« dokumentiert die Verwaltung des Flüchtlingselends.
Bilder von überfüllten Rettungsbooten, die unendlich erschöpften Gesichter der Flüchtlinge sowie Helfer, die den Leidgeplagten routiniert auf riesigen Schiffen Erste Hilfe leisten, hat man in Nachrichtensendungen und Filmen wie »Seefeuer« oder »Human Flow« schon des Öfteren gesehen. Trotz des unfassbaren Leids reagiert man mittlerweile abgestumpft auf diese Bilder.
Genau da setzt der zutiefst humanistische Dokumentarfilm »Eldorado« des mehrfach preisgekrönten Schweizer Regisseurs Markus Imhoof (»More than Honey«) an, der seine persönliche Fassungslosigkeit zum Ausgangspunkt des filmischen Essays über die unmenschliche Verwaltung des Flüchtlingselends macht.
Der Regisseur, der bereits 1981 in seiner Literaturverfilmung »Das Boot ist voll« die Gnadenlosigkeit der Schweizer gegenüber Flüchtlingen während des Zweiten Weltkriegs anprangerte, führt mit seiner geliebten Schwester im Geiste – dem Flüchtlingsmädchen Giovanna – einen imaginären Off-Dialog, der den Film in berührender Weise durchzieht: Während des Zweiten Weltkriegs päppelten die Imhoofs Giovanna für einige Zeit auf. Im Gegenzug für die Aufnahme der Kriegsopfer gestatteten die Nazis den Transit der Juden durch die Schweiz. Die der Familie schnell ans Herz gewachsene Halbwaise durfte aber nicht bleiben und musste zurück ins zerbombte Mailand.
Heutzutage wiederholt sich diese inhumane Behandlung von Flüchtlingen in ähnlicher Weise. Deshalb hat Imhoof sich auf einen Rettungskreuzer der Mission »Mare Nostrum« begeben und beobachtet, wie die Helfer vor der libyschen Küste verzweifelte Flüchtlinge auffischen. Diese erschreckenden Bilder gleichen denen, die man schon kennt. Doch Imhoof bleibt weiter dran: Nach all den unmenschlichen Strapazen wartet auf die Flüchtlinge mitnichten das erhoffte Paradies, sondern ein zutiefst inhumaner Verwaltungsapparat, der unter anderem eine Folge der idiotischen Dublin-Verordnung ist.
Einige der Abgewiesenen oder auf ihren Bescheid Wartenden finden sich gar wie Sklaven in einem Ghetto der Mafia wieder, wo sie unter unmenschlichsten Bedingungen für 15 Euro am Tag Tomaten ernten. Imhoof gelang es, heimlich dort zu filmen.
»Wir essen dann die von Sklaven gemachte Pizza«, mahnte Imhoof sanft auf der Pressekonferenz der diesjährigen Berlinale. Zudem werden die Tomaten günstig nach Afrika vertickt, wo sie den heimischen Markt ruinieren.
Imhoof weist auch mehrfach kritisch auf den Zusammenhang zwischen Fluchtursachen und der Handelspolitik der EU hin, die den Afrikanern den kargen Existenzboden unter den Füßen wegzieht.
So zeigt er beispielsweise das irrwitzige Schicksal eines afrikanischen Flüchtlings, der aus der Schweiz abgeschoben wird. Von dem schmalen Startkapital kauft er sich daheim zwei Milchkühe, um seine Existenz einigermaßen zu sichern – zollfrei verkaufte Milch aus Europa macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Und die von den Imhoofs geliebte Giovanna? Verstarb mit 14 Jahren an Unterernährung.
Heute bekommen die Flüchtlinge lediglich Goldfolie gegen Unterkühlung von uns angeboten – danach bleibt auch ihnen eine dauerhafte Aufnahme im »Eldorado Europa«, das an der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat eine maßgebliche Mitschuld trägt, in der Regel verwehrt.
»Eldorado«, Deutschland/Österreich/ Shweiz 2018. Regie: Markus Imhoof.
„Eldorado“ in Neues Deutschland vom April 2018