Foto (c) Peter Hartwig/ Rohfilm Factory/ Prokino
Die strahlende Schmerzensfrau
„Ich versuche gerade aus so einer Art Zwangsjacke auszubrechen“, sagt Romy Schneider in einem ihrer letzten Interviews vor ihrem viel zu frühen Tod im Alter von 44 Jahren. Marie Bäumer, die der einzigartigen Schauspielerin ungewöhnlich ähnlich sieht, verkörpert „die Schneider“ in „3 Tage in Quiberon“ – und meistert diese schwierige Aufgabe mit Bravour, denn sie fühlt sich in die Essenz dieser widersprüchlichen Frau ein. Dennoch schrammt Regisseurin Emily Atef haarscharf daran vorbei, wirklich einen Blick hinter die Fassade Romy Schneiders zu werfen. Wie die unzähligen Verehrer und Bewunderinnen zu Lebzeiten der Schauspielerin, lässt sie sich letztlich von der unwiderstehlichen Aura, die Romy umgab, einlullen. Sehenswert ist die Einfraushow – gerade in Zeiten der Missbrauchs-Debatte – dennoch.
1981 macht die in einer tiefen Lebenskrise steckende, tabletten- und alkoholabhängige Romy Schneider im titelgebenden, bretonischen Kurort Quiberon eine Entziehungskur – vor allem aus Liebe zu ihrem 14-jährigen Sohn David, der sich von ihr abgewandt hat. Ihre Sandkastenfreundin Hilde (großartig: Birgit Minichmayr) besucht sie dort für drei Tage, doch Romy hat noch weitere Gäste eingeladen: Dem von ihr geschätzten Fotografen und langjährigen Freund Robert Lebeck (Charly Hübner), der mit dem aasigen „Stern“-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) im Schlepptau auftaucht, hat sie Fotos und ein Interview versprochen.
„Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren“, sagt Romy Schneider in ihrer entwaffnend-freimütigen Art dem jungen Reporter zu Beginn seines legendären Interviews. Der zynische Vertreter der bundesdeutschen Mehrheitsmeinung scheut sich dennoch nicht, sie zunächst mit Vorwürfen zu überziehen, sie nach ihrem Ex-Mann zu fragen, der sich vor kurzem erhängt hat. Man nimmt Gwisdek den schleimigen, zunächst völlig skrupellosen Reporter, der die Geschichte seines Lebens wittert, bedingungslos ab.
Romy raucht, redet freimütig von ihren großen Schwierigkeiten, Privatleben und Beruf zu vereinbaren, und säuft den ihr angebotenen, verbotenen Champagner während der dreitägigen Interviewsessions. Hilde versucht mehrmals, ihre Freundin vor dem Pressehai zu warnen und das Gespräch abzubrechen. Doch der vielschichtige, deutsch-österreichische Star will davon nichts wissen, möchte sich womöglich gerade durch seine schonungslose Offenheit am deutschen Publikum, das Romy immer noch verbiestert-hartnäckig an ihrer unschuldigen Sissi-Rolle misst, rächen. Vielleicht fällt sie aber auch wieder nur ihrer eigenen Unfähigkeit, sich selbst zu schützen, zum Opfer. Oder es ist eine Mischung aus beidem – dieses Geheimnis vermag auch der Film nicht zu lüften.
Auf der anderen Seite verbringt Romy Schneider mit ihren vermeintlichen Freunden einen glückseligen Abend in einer Hafenbar, bezaubert mit ihrer kindlichen Freude alle Anwesenden und tanzt mit einem Clochard (Denis Lavant). Lebeck dokumentiert dies alles begeistert mit seiner Kamera. Hübner als den charismatischen Fotografen zu besetzen, funktioniert leider nicht auf allen Ebenen: Wenn die sich von ihm stets angezogen fühlende Romy ihn „le beau“ nennt, wirkt das ein wenig lächerlich, denn erotisches Knistern spürt man zwischen den beiden nun wirklich nicht.
Nur ein Jahr später stirbt die in die Rolle der Schmerzensfrau gedrängte, zutiefst menschliche Romy an Herzversagen. Atefs Film stellt klar heraus, dass viele Menschen aus dem Umfeld der Schauspielerin, auch ihr gnadenloses Publikum, sich hätten fragen müssen, was ihr Anteil daran war.
Mittelbayerische / April 2018