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Foto: (c) 2017 Anke Neubauer / UFA Ficiton / Universal

Verlass‘ mich nicht!

Isabell Suba verpasst mit ihrem Internatsabenteuer „Hanni und Nanni – Mehr als beste Freunde“ dem altbackenen Stoff einen poppig-modernen Anstrich.

Vor versammelter Internatsklasse schmettert sie los – „Ne me quitte pas“, „Verlass‘ mich nicht“, singt Hanni inbrünstig für ihre Zwillingsschwester Nanni. Es ist nicht der einzige Moment, in dem „Hanni & Nanni – Mehr als beste Freunde“ ans Herz geht. In ihrer modernisierten Kino-Neuauflage von Enid Blytons beliebter Kinderbuchserie stellt Isabell Suba nämlich sehr ein berührendes Thema in den Mittelpunkt: Die Zwillinge müssen nach elf symbiotisch miteinander verbrachten Lebensjahren endlich damit anfangen, sich als eigenständige Wesen zu begreifen.

Doch zunächst einmal hieß es umbesetzen: Mit mittlerweile 19 Jahren waren die Zwillinge Jana und Sophia Münster, die Hanni und Nanni zwischen 2010 und 2013 in drei Filmen verkörperten, schlicht zu alt für weitere Fortsetzungen. Doch nicht nur die Hauptrollen wurden bei der Gelegenheit neu besetzt: Lediglich die großartige Katharina Thalbach als „herrlisch“ verschrobene Französischlehrerin ist aus den vorherigen Filmen erhalten geblieben.

Nicht nur die neuen Hauptdarstellerinnen Laila und Rosa Meinecke bringen mit kurzem Haarschnitt und ungekünsteltem Spiel frischen Wind in den Klassiker, auch sonst wurde die Geschichte hübsch modernisiert: Weil sie beruflich viel verreisen muss und ihr Mann, Studiomusiker Charlie (Boss-Hoss-Sänger Sascha Vollmer), nicht viel von Ordnung und Hausaufgaben hält, bringt Mutter Susanne (Jessica Schwarz) ihre Töchter kurzerhand in Schloss Lindenhof unter.

Was in dem Internat eine „Breaking News“ im witzigen Comicstil wert ist, ist für die hippen Berliner Gören eine Katastrophe: Sie beschließen, die ganze Schule doof zu finden und zu boykottieren, damit sie bloß schnell zu ihren Eltern zurück können. Sie haben natürlich Angst, diese könnten sich in ihrer Abwesenheit nach all den Streits der letzten Zeit trennen. Drei Wochen Probezeit gilt es also mit rotzfrechen Streichen zu verderben.

Doch dann passiert etwas, was Hanni, die dominantere der beiden Mädchen, schwer trifft: Die pädagogisch nicht auf den Kopf gefallene Direktorin Frau Theobald (Maria Schrader) hat Nanni, von der sie weiß, dass sie Pferde über alles liebt, den schuleigenen Reiterhof schmackhaft gemacht. Nun beginnt es Nanni im Internat allmählich zu gefallen. Zumal sie es eigentlich leid ist, das Anhängsel ihrer Schwester zu sein. Sie freundet sich mit den netten Mädchen der Reiterclique an – schade ist nur, dass diese, wie auch die anderen Mitschülerinnen, relativ konturlos bleiben.

In der Inszenierung des folgenden Handlungsstrangs, in dem Nanni natürlich ausgerechnet ein hoffnungslos aggressiv-verängstigtes Ross als Pflegepferd zugewiesen bekommt, hat Suba sich frech bei Detlev Bucks erfolgreichen „Bibi & Tina“-Verfilmungen bedient. Vom aus der Vogelperspektive perfekt gefilmten Wettreiten durch Kornfelder bis zu vielen peppigen Gesangs- und Tanzeinlagen: Geschickt vermengt die Regisseurin mehrfach erprobte Buck’sche Erfolgsingredienzien mit filmischen Elementen, die wiederum bei den „Ostwind“-Pferdefilmen prächtig funktioniert haben. Warum aber sollte man nicht Konzepte kopieren, die offensichtlich bei der Zielgruppe „mega“ ankommen?

Die verstockte Hanni, deren Einsamkeit zu Herzen geht, lernt unterdessen bei einem Waldspaziergang die Boxerhündin Loch Ness und ihr misanthropisches Herrchen Godehard (Henry Hübchen) kennen, mit dem sie dennoch nach und nach Freundschaft schließt. Durch die drohende Schließung von Schloss Lindenhof, das in ein Golfhotel verwandelt werden soll, sind jedoch bald schon alle gezwungen ihre Kräfte zu bündeln und das Unvorstellbare zu verhindern. Schließlich muss das zeitgemäße Internatsabenteuer doch fortgesetzt werden!

Stimme / Juni 2017