Foto: (c) DCM
Drama ist nicht gut fürs Karma
Die mittlerweile ein wenig angestaubten „Bibi und Tina“-Kassetten waren lange Zeit nicht aus den Haushalten deutscher Familien wegzudenken. Seit Detlev Buck innerhalb von gerade einmal zwei Jahren mit seinen beiden frech-frischen „Bibi-und-Tina Verfilmungen die Herzen der Mädchen zwischen sechs und 14 Jahren im Sturm eroberte, dröhnen nun die von Ex-Rosenstolz-Mitglied Peter Plate und seinem Team komponierten Schlager aus fast allen deutschen Kinderzimmern. Mit seinem dritten Teil versucht Buck nun auch die Jungs verstärkt anzusprechen: „Bibi und Tina – Mädchen gegen Jungs“ lautet sein nächster grellbunter Geniestreich. Neben einigen Aspekten des Geschlechterkampfes fährt Buck nun auch noch YouTube-Star Phil Laude von Y-Titty als Bösewicht auf.
Sommercamp auf Schloss Falkenstein. Schüler einer internationalen Partnerschule aus Berlin treffen auf die Falkensteiner Landpomeranzen. Eine Geocaching-Schatzsuche lässt schließlich die vermeintlich kleinen Unterschiede für viel heißes und böses Blut sorgen. Einer der Gäste, Urs Nägeli (Phil Laude), will um jeden Preis die Schatzsuche gewinnen. Der ehrgeizige Kotzbrocken scheut sich auch nicht, mit unfairen Mitteln zu kämpfen. Doch so leicht lassen sich Bibi (Lina Larissa Strahl) und Tina (Lisa-Marie Koroll) weder besiegen noch in Schubladen stecken.
Und auch der Dritte in ihrem Schatzsuche-Team „Die Hotten Hühs“, der nicht von ungefähr nach dem „Jules und Jim“-Regisseur benannte französische Austauschschüler François Truffaut (Tilmann Pörzgen), ist nicht gerade ein typischer Vertreter seines Geschlechts. Gleich zu Beginn zeigt er sich verzaubert von Bibis gar nicht so klassisch mädchenhaftem schlagkräftigen Einsatz beim Rugby. Nicht so dagegen Supermacho Urs, der erst einmal Tinas Freund Alex (Louis Held) auf seine Seite zieht und mit unsinnigen Vorurteilen über Mädchen das Hirn verkleistert. Die Animositäten zwischen Bibi und Urs gipfeln in dem titelgebenden, herausragend choreographierten Rap-Battle „Mädchen gegen Jungs“. Diese wunderbaren Musik-Szenen sind es, die den Zuschauer die gelegentlich recht dünne Geschichte vergessen machen lassen.
Einige der Songs des dritten Teils haben wieder Kultpotenzial, so wie in der ersten Verfilmung das Lied „Ich will mehr“ von Bösewicht Kakmann. Der wieder von Charly Hübner mit sichtlicher Freude gespielte Hans Kakmann hat in diesem Teil übrigens eine 180-Grad-Wendung vollzogen und lebt als friedlicher Einsiedler im Wald, denn „das ganze Geld, das ganze Drama, war nicht gut für mein Karma“, wie er in dem ebenfalls hitverdächtigen Song „Omm“ frohgelaunt trällert. Dritter Kandidat für den nächsten Kinderzimmerhit ist Bibis berührend vorgetragener „Happy Song“ – in dem sie wie viele ihrer mitgewachsenen Fans Abschied von der Kindheit nimmt und ein wenig sorgenvoll auf die beginnenden Irrungen und Wirrungen der Pubertät schaut.
Doch auch dem herrlich schlichten Holger (Fabian Buch) wurde wieder ein tolles Lied auf den Leib geschrieben, das Buck auch visuell sehr spaßig umgesetzt hat. Da Holger nämlich versehentlich psilocybinhaltige Pilze gegessen hat, verändert sich auf einmal seine Wahrnehmung gehörig. Wieder einmal gelingt es Buck, der auch wieder einen bizarren Cameo-Auftritt als Dr. Eichhorn absolviert, einen recht mitreißenden Familienfilm auf die Beine zu stellen, bei dem sich Mama und Papa ähnlich gut amüsieren wie ihre Kinder. Cineastische Anspielungen finden hier ebenso Platz wie die Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Geschlechterunterschieden und dem Thema Liebe.
Doch bevor es allzu dramatisch wird und der von Teenagern noch mehr als Pickel gefürchtete Belehrungs- oder Kitschfaktor überhand nimmt, wird wieder gesungen oder es folgen ein paar herrlich absurde Slapstikeinlagen, die tatsächlich Lust auf einen vierten und vermutlich letzten „Bibi und-Tina“-Film machen.
Radio Köln / Jan. 2016