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Foto (c) 2018 Gordon Timpen_Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Es ist nie zu spät

Zwei Brüder verwirklichen in dem Road- und Buddymovie „25 km/h“ ihren Teenager-Traum und nehmen den Zuschauer mit auf eine vergnüglich-berührende Reise.

Die Reise beginnt am Brunnen des Marktplatzes von Löchingen und endet, wenn die Teilnehmer am Timmendorfer Strand in die Ostsee pinkeln.“ So lautet die erste Regel der Mofatour, die zwei 16-jährige Brüder einst geplant, aber leider nie gemacht haben. Nach einem heftigen Besäufnis beschließen die inzwischen fast 50-Jährigen, diese Tour nachzuholen – klingt nicht gerade nach einer fetzigen Prämisse für einen Kinofilm. Doch Regisseur Markus Goller („Simpel“) und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, die 2010 mit ihrem Roadmovie „Friendship!“ einen tollen Überraschungshit landeten, holen aus dieser Idee, ebenso wie aus den beiden Mofas ihrer fantastischen Hauptdarsteller, viel heraus. Bjarne Mädel („Tatortreiniger“) und Lars Eidinger („Alle Anderen“) brillieren in den Hauptrollen, auch einige Nebenrollen sind großartig besetzt.

20 Minuten steht der hektische, ständig auf Englisch in sein Telefon bellende Top-Manager Christian (Eidinger) im Taxi an einer Bahnschranke – kurz vor seinem Heimatkaff im Schwarzwald. Die sture Taxifahrerin weigert sich weiterzufahren, obwohl weit und breit noch kein Zug zu sehen ist und Christian dadurch zu spät zur Beerdigung seines Vater kommen wird.

Man erkennt an Christians Reaktion auf diese absurde Situation, dass er nicht nur ein rücksichtsloser Manager ist. Dennoch verpasst ihm sein stinksaurer Bruder Georg (Mädel), der ihren alleinerziehenden Vater bis zum Tode gepflegt hat, direkt am frisch aufgeschütteten Grab erst mal eine. Doch nach einer gemeinsam durchzechten Nacht beschließen die ungleichen Brüder, auf ihren Mofas endlich die Tour durch Deutschland nachzuholen, von der sie als Teenager immer geträumt haben – und alle vor 30 Jahren aufgestellten „Schwachsinns“-Regeln zu befolgen.

Da die Chemie zwischen den beiden herausragenden Charakterdarstellern so gut stimmt, sitzt der Zuschauer von Anfang an mit auf dem frisierten Chopper von Christian und der alten Zündapp von Georg. Begleitet von einem Gute-Laune-verbreitenden und auch mal ordentlich aufs Gaspedal tretenden Soundtrack von The Cure über Bilderbuch bis zu Camouflage umfahren die Brüder, die so vieles von dem verkörpern, was Frauen an Männern kopfschüttelnd liebenswert finden, geschickt fast jedes Klischee, an das man bei einem deutschen Road-Movie sofort denken muss.

So treffen sie bei einem Back-To-The-Roots-Festival auf ein weises Hippie-Mädchen (gespielt von Jella Haase) und öffnen sich durch die Begegnung auf berührende Weise einander, anstatt sich über den Hippie-Kram schenkelklopfend lustig zu machen. Ihre Liebesnacht mit Ingrid (Alexandra Maria Lara) und Ute (Franka Potente), die sie auf dem Weinfest abgeschleppt haben, verläuft ebenfalls erfrischend anders, als man es aus deutschen 08/15-Komödien kennt. Einzig eine Verfolgungsjagd durch den prolligen Berserker „Hantel“ (Wotan Wilke Möhring) wirkt klamaukig.

Zwischen Lachen und Rührung gefangen, empfindet der Zuschauer mit den beiden sturen, sympathischen Schwarzwäldern – auch wenn weitestgehend vorhersehbar ist, wohin die Reise geht. Jeder der beiden muss für sich noch eine Lebensaufgabe knacken: Georg muss sich endlich eingestehen, dass er immer noch in seine Jugendliebe Tännle (Sandra Hüller) verknallt ist, und Christian muss sich der Tatsache stellen, dass er bislang zu feige war, seinen Sohn, den er mit seiner Ex-Freundin Lisa (Jördis Triebel) hat, endlich einmal kennenzulernen. Doch: Es ist ja bekanntlich nie zu spät – auch nicht für die deutsche Komödie, die im Schneckentempo von „25 km/h“ ihren bisherigen Höhepunkt des Kinojahres 2018 erreicht.

Weser Kurier / Okt. 2018